Hilft die Flash-over-Reaktion in der Praxis wirklich? - Erste Ergebnisse!
Mit der Oktoberausgabe des FeuerwehrMagazines wurde unser
Beitrag zum Thema Innenbrandbekämpfung und „Flashover" - Reaktion und dem
Fragebogen dazu veröffentlicht. Somit fand eine Befragung vom 1.10.2016 bis
1.12.2016 statt. Das FeuerwehrMagazin veröffentlichte in der Printausgabe, als
auch online, bei Facebook und TWITTER, außerdem konnten wir Michael Brandl von
atemschutz.org für uns gewinnen, der ebenfalls unseren Beitrag veröffentlichte.
An dieser Stelle wollen wir uns als Projektgruppe recht
herzlich bedanken! Wir möchten uns bei all denen bedanken, die uns bis hierher
unterstützt haben. Sei es mit Rat und Tat, mit Ideen und Anregungen, für die
Unterstützung vom FeuerwehrMagazin und atemschutz.org!
Und nicht zu Letzt bei all Denen, die unseren Fragebogen
beantwortet haben und uns damit eine Fülle von Daten beschert haben!!!
Z – D – F: Zahlen – Daten - Fakten
Der Befragungszeitraum umfasste ziemlich genau zwei Monate
vom 1.10.2016 bis 1.12.2016. Der Fragebogen war wie folgt aufgebaut:
Es gab vier Ausschlussfragen. Wurde eine dieser Fragen mit
„nein" beantwortet, war die Befragung für den Teilnehmer beendet.
1. Bist du Atemschutzgeräteträger?
2. Hast du Erfahrung bei der Innenbrandbekämpfung
3. Hast du ein Phänomen der schnellen Brandausbreitung
während der Innenbrandbekämpfung erlebt?
4. Hast du VOR diesem Erlebnis die „Flashover" – Reaktion
trainiert?
Die folgenden sieben Fragen sind „Qualitätsfragen"
5. Hat das Training heiß oder kalt stattgefunden? (in einem
Brandcontainer oder im Freien)
6. Warst du Teilnehmer oder Trainer?
7. Hast du Anzeichen der schnellen Brandausbreitung
wahrgenommen?
8. Hast du die „Flashover" – Reaktion angewendet?
9. War die „Flashover" – Reaktion wirkungsvoll?
10. Angehöriger einer FF, BF oder WF
11. Kontaktdaten der Teilnehmer mit der Frage, ob wir den
Teilnehmer kontaktieren dürfen.
Insgesamt haben wir 948 Antworten zu dem Fragebogen
erhalten. Genau 400 Teilnehmer konnten die ersten vier Fragen mit „Ja"
beantworten, welches einer Quote von 42,2% entspricht. Diese 400 Teilnehmer
sind für die weitere Befragung interessant, da sie als Truppmitglied während
der Innenbrandbekämpfung irgendein Phänomen der schnellen Brandausbreitung
erlebt haben und VOR diesem Ereignis die „Flashover" – Reaktion in irgendeiner
Art und Weise trainiert haben. Also spiegeln sie genau das wieder, was in der
„Flashover" - Ausbildung trainiert wird.
Für die weitere Befragung werden diese 400 Antworten als
100% angenommen.
An dieser Stelle sind wir bei Frage Nr. 5
Wie wurde das Training absolviert? Heiß, in einem
Brandübungscontainer, oder kalt, sprich als praktisches Training im Freien?
Zu 82,8% (331Teilnehmer) wurde das Training „heiß"
absolviert und zu 17,2% (69 Teilnehmer) „kalt".
Hier wurde aufgeschlüsselt in welcher Art und Weise der
Teilnehmer bei dem Training teilgenommen hat, rein als Teilnehmer oder sogar
als Trainer.
Im Zusammenhang mit der Heißausbildung (331 Teilnehmer,
82,8%) nahmen 68,3% (226 Teilnehmer) als Teilnehmer teil und somit 31,7% (105
Teilnehmer) als Trainer.
Im Vergleich zur Heißausbildung die Kaltausbildung (69
Teilnehmer, 17,2%). Hier teilt es sich wie folgt auf: 84,1 % (58Teilnehmer)
nahmen rein als Teilnehmer teil und 15,9% (11 Teilnehmer) nahmen somit als
Trainer teil.

Auf die Frage Nummer 7 (Anzeichen der schnellen
Brandausbreitung erkannt?) haben 80% (320 Teilnehmer) mit „Ja" geantwortet. 20%
(80 Teilnehmer) haben keine Anzeichen der schnellen Brandausbreitung erkannt.
Die 400 Teilnehmern haben sich zu Frage Nummer 8 insofern
geäußert, dass 49% (196 Teilnehmer) die „Flashover" – Reaktion angewendet haben.
Trotz des Erkennens der Anzeichen haben 51% (204 Teilnehmer) die „Flashover" - Reaktion nicht angewendet.
Nun die alles entscheidende Frage: Ist die „Flashover" –
Reaktion wirkungsvoll?
Hier liegen die 196 Teilnehmer aus Frage Nummer 8 zugrunde,
die, die „Flashover" – Reaktion auch angewendet haben. Hier sagen 68,4% (134
Teilnehmer) aus, dass die „Flashover" – Reaktion wirkungsvoll war. 31,6% (62
Teilnehmer) geben an, dass die „Flashover" – Reaktion nicht wirkungsvoll war.
Wie geht es nun mit dem Projekt weiter?
Nun, mit den reinen Daten aus der Beantwortung der
Fragebögen könnten wir sagen, dass 68,4 % derer, die die „Flashover"–Reaktion
angewendet haben, sagen, dass sie funktioniert. Damit wäre eine unserer
grundsätzlichen Fragen beantwortet und wir könnten das Projekt abschließen.
ABER, aus unserer Sicht gibt es da noch einige Baustellen,
die es zu bearbeiten gilt!
- Die Beantwortung des Fragebogens war
grundsätzlich anonym, sprich wir als Projektgruppe haben bei den anonymen
Antworten keinerlei Möglichkeit zu prüfen, ob geschildertes Ereignis
tatsächlich stattgefunden hat.
- Es gibt einige Antworten, die anonym abgegeben
wurden, wo alles gut funktioniert hat. Hier wären wir natürlich sehr neugierig
gewesen, wie genau das Ereignis stattgefunden hat, wie genau Abläufe,
Vorgehensweisen etc. waren.
- Genauso gibt es einige anonyme Antworten, bei
denen der Teilnehmer schildert, dass er die Anzeichen erkannt hat, mit der
„Flashover" – Reaktion reagiert hat, diese aber nicht funktioniert hat. Hier
wären wir genauso neugierig gewesen.
Wir als Projektgruppe werden nun zu allen Teilnehmern, die
die ersten vier Fragen bejahen konnten und ihre Mailadresse hinterlassen haben,
Kontakt aufnehmen. Hier wird eine zweite Befragung stattfinden. Wir müssen das
geschilderte Ereignis verifizieren, hat dieses Ereignis überhaupt
stattgefunden!? War das Ereignis tatsächlich ein Flashover oder eine
Rauchgasdurchzündung? Hier sind wir aktuell in der Ausarbeitung eines
Abfrageschemas, was uns genau an dem Teilnehmer, an dem Ereignis, Abläufen und
Vorgehensweisen interessiert. Wir können letztendlich nur eine Aussage auf
verifizierte Daten stützen! Hier ist zu vermuten, dass es in dem ein oder
anderen Diagramm zu der ersten Befragung eine Verschiebung geben wird.
Hier wollen wir die Ergebnisse abwarten.
Ein Ziel in weiter Ferne wäre eine offizielle Studie
anzustreben auf der Grundlage unserer Befragungen. Wir denken, dass es an der
Zeit ist, die Wahrscheinlichkeiten abzugleichen, ob die „Flashover" – Reaktion
von Nutzen ist oder nicht. Sicher gibt es Konstellationen bei Brandereignissen
(Raumgröße, Branddauer, Brandlast, Ventilation etc.) die eine „Flashover" –
Reaktion wirksam lassen werden. Aber welche Konstellationen von Raumgröße,
Branddauer, Brandlast und Ventilation etc. haben wir in der Realität, wie groß
ist die Wahrscheinlichkeit, diese Kombination vieler Einflussgrößen in der
freien Natur bei einem Brandereignis zu begegnen, die die „Flashover" –
Reaktion wirksam werden lässt, oder eben nicht???
Wir wollen aber auch daran erinnern, dass wir an dieser
Stelle mit der Diskussion darüber, ob die „Flashover" – Reaktion wirksam ist
oder nicht, eigentlich auch schon wieder viel zu weit sind. Gibt es nicht noch
andere Überlegungen die davor angestellt werden sollten!?
-Müssen wir immer eine Angriffstaktik verfolgen!?
oHeut zu Tage wird wohl (Gott sei Dank) kein
Einsatzleiter mehr einen Trupp in ein Gebäude mit bekannter
Nagelplattenverbindung („Dsicountmarktbauweise") schicken!?
-Wenn Angriffstaktik, muss sie immer absolut,
offensiv sein!? Muss sich der Angriffstrupp immer gleich auf das Feuer
stürzen!? Können wir auf eine defensive Angriffstaktik zurückgreifen!?
oAngriffstrupp zur Sicherung der Brandraumtür
vor. Alternativer Angriffsweg von anderer (sicherer) Stelle aus!?
-Kann der Angriffstrupp mit dem Wissen um die
Ereignisse (brandlastgesteuert, temperatur-, oder ventilationsgesteuert)
alternativ agieren!?
oBeeinflussen von Brandlast, Temperatur oder
Ventilation möglich!?
-Bestehen andere Möglichkeiten als die „Flashover"
– Reaktion!?
oDeckung!? Flucht?
All diese Überlegungen sind sehr individuell! Individuell im
Sinne von Erfahrung der Einsatzkräfte, unterschiedliche Gebäude,
unterschiedliche Brandlasten, zusätzliche Gefahren an der Einsatzstelle,
Risikobereitschaft der Einsatzkräfte, Routine im Zusammenspiel zwischen
„Häuptling" und „Indianer" und so weiter. Aber einige dieser Überlegungen sind
es sicher wert anzustellen, bevor wir nach Schema A verfahren, nur, weil wir
das schon immer so gemacht haben!
Ferner bleibt zu sagen, dass wir die „Flashover" – Reaktion
nicht isoliert betrachten wollen. Bei unserem Projekt geht es ja um die
Feuerwehrausbildung allgemein. Hier gibt es viele Felder, die es zu beackern
gilt!
-Muss ein Trupp unter Atemschutz IMMER eine
Treppe rückwärts begehen!?
-Muss ein Angriffstrupp IMMER ein WBK
dabeihaben!?
-Muss ein Trupp unter Atemschutz IMMER im
Seitkriechgang unterwegs sein!?
Um nur ein paar Beispiele aus dem Bereich der
Brandbekämpfung zu nennen. Der ein oder andere könnte sicher aus den vielen
anderen Fachgebieten des Feuerwehralltags sicher noch unzählige weitere
Beispiele aufzählen, die es vielleicht neu zu überdenken gilt!?
Wir freuen uns weiter auf viele spannende Diskussionen,
innovative Gedankenansätze, Kritik und gute Gespräche!
André Grese, Sebastian Neuwirth & Chris Wallenstein
Erstellt von: André Grese, Sebastian Neuwirth & Chris Wallenstein
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